Was ist der Puls?

Der Puls ist eine rhythmische Druckwelle, die durch die Kontraktion des Herzens erzeugt wird und sich entlang der Arterien im gesamten Körper ausbreitet. Er repräsentiert die mechanische Antwort des Gefäßsystems auf den systolischen Blutausstoß des Herzens und ist daher ein essenzieller Parameter zur Beurteilung der kardiovaskulären Funktion.

Physiologische Grundlagen des Pulses

Das Herz, als zentrale Pumpe des Kreislaufsystems, zieht sich in der Systole zusammen und wirft Blut mit hohem Druck in die Aorta aus. Diese Druckwelle wird durch die elastischen Arterien weitergeleitet und kann an bestimmten Stellen des Körpers als Puls tastbar sein. In der Diastole, wenn das Herz sich entspannt und erneut mit Blut gefüllt wird, nimmt der arterielle Druck wieder ab. Der Unterschied zwischen systolischem und diastolischem Druck wird als Pulsdruck bezeichnet und beeinflusst die Stärke des tastbaren Pulses.

Puls

Eigenschaften des Pulses

Der Puls wird anhand mehrerer Parameter beurteilt:

  1. Frequenz – Gibt die Anzahl der Pulswellen pro Minute an (Herzfrequenz). Die normale Ruhefrequenz liegt bei Erwachsenen zwischen 60 und 100 Schlägen pro Minute (bpm), während sie bei Sportlern oder in Ruhephasen niedriger sein kann.

  2. Rhythmus – Ein regelmäßiger Puls zeigt eine gleichmäßige Herzschlagfolge an. Unregelmäßigkeiten, sogenannte Arrhythmien, können auf Herzrhythmusstörungen hindeuten.

  3. Amplitude (Füllung oder Stärke) – Die Pulsamplitude hängt vom Schlagvolumen des Herzens und der Elastizität der Gefäße ab. Ein kräftiger, gut tastbarer Puls deutet auf eine gute kardiale Pumpleistung hin, während ein schwacher oder fadenförmiger Puls Zeichen für Kreislaufprobleme oder einen niedrigen Blutdruck sein kann.

  4. Spannung – Die Pulswelle kann je nach Elastizität der Gefäße härter oder weicher sein. Ein harter Puls weist auf Bluthochdruck hin, während ein weicher Puls bei niedrigem Blutdruck oder Gefäßerschlaffung auftritt.

Arten des Pulses

Je nach Lokalisation unterscheidet man verschiedene Pulse:

  • Peripherer Puls (z. B. Radialispuls am Handgelenk, Fußarterienpuls)
  • Zentraler Puls (z. B. Karotispuls an der Halsschlagader, Femoralis-Puls in der Leiste)

Zusätzlich gibt es pathologische Pulsformen, wie:

  • Tachykarder Puls (>100 bpm) – Kann durch Fieber, Stress, Anämie oder Herzinsuffizienz verursacht werden.
  • Bradykarder Puls (<60 bpm) – Tritt bei Sportlern, unterkühlten Personen oder bei AV-Blockierungen auf.
  • Pulsdefizit – Wenn Herzschläge nicht mit einer tastbaren Pulswelle übereinstimmen (z. B. bei Vorhofflimmern).

Ablauf einer Pulsmessung

Die Pulsmessung ist eine grundlegende medizinische Untersuchung zur Beurteilung der Herz-Kreislauf-Funktion. Sie kann manuell durch Palpation (Abtasten) oder mithilfe technischer Geräte (z. B. Pulsoximeter oder EKG) durchgeführt werden. Der Ablauf einer manuellen Pulsmessung umfasst mehrere Schritte, die von der richtigen Vorbereitung über die Durchführung bis hin zur Interpretation der Messergebnisse reichen.

Vorbereitung der Pulsmessung

1.1. Geeignete Umgebung und Patientenvorbereitung

  • Der Patient sollte sich in einem ruhigen, entspannten Zustand befinden, um eine Beeinflussung der Herzfrequenz durch äußere Faktoren (z. B. körperliche Anstrengung oder Stress) zu vermeiden.
  • Die Messung sollte idealerweise im Sitzen oder Liegen erfolgen.
  • Die Arme oder Beine sollten nicht überkreuzt sein, da dies die Durchblutung beeinflussen kann.

1.2. Wahl der geeigneten Messstelle

Der Puls kann an verschiedenen Arterien des Körpers gemessen werden. Die Wahl der Messstelle hängt von der Situation und der Verfügbarkeit der Arterien ab:

  • Arteria radialis (Handgelenk, Daumenseite) → Häufigste Methode zur Selbstmessung.
  • Arteria carotis (Hals, seitlich der Luftröhre) → Wird bei Notfallpatienten oder zur schnellen Überprüfung des zentralen Pulses verwendet.
  • Arteria brachialis (Innenseite des Oberarms) → Wichtig bei Säuglingen oder zur Blutdruckmessung.
  • Arteria femoralis (Leistengegend) → Relevante Messstelle bei Notfällen oder Kreislaufzusammenbrüchen.
  • Arteria dorsalis pedis / tibialis posterior (Fußrücken / Innenknöchel) → Zur Beurteilung der peripheren Durchblutung, z. B. bei Diabetes oder arterieller Verschlusskrankheit.

Durchführung der Pulsmessung

2.1. Manuelle Pulsmessung durch Palpation

  1. Platzierung der Finger:

    • Die Fingerkuppen von Zeige-, Mittel- und evtl. Ringfinger werden sanft auf die Arterie gelegt.
    • Der Daumen sollte nicht verwendet werden, da er einen eigenen Puls hat und das Ergebnis verfälschen kann.
  2. Druckanpassung:

    • Ein zu starker Druck kann die Arterie abdrücken und den Puls unfühlbar machen.
    • Ein zu schwacher Druck kann zu einer ungenauen oder nicht wahrnehmbaren Messung führen.
  3. Zählung der Pulsschläge:

    • Die Schläge werden über einen Zeitraum von 60 Sekunden gezählt (exakte Frequenz).
    • Alternativ kann über 15 Sekunden gezählt und mit 4 multipliziert werden (ungefähre Frequenz).
    • Bei unregelmäßigem Puls (Arrhythmien) sollte immer eine volle Minute gezählt werden.

2.2. Messung mit Pulsoximeter

  • Ein Pulsoximeter misst die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung des Blutes.
  • Das Gerät wird meist am Finger oder Ohrläppchen befestigt.
  • Es nutzt Infrarot- und Rotlichtstrahlen zur Messung der Pulsfrequenz und der Sauerstoffbindung an das Hämoglobin.

2.3. Pulsbestimmung per EKG

  • Ein Elektrokardiogramm (EKG) erfasst die elektrische Aktivität des Herzens und ermöglicht eine exakte Puls- und Rhythmusdiagnostik.
  • Es ist besonders wichtig bei Verdacht auf Herzrhythmusstörungen oder kardiale Erkrankungen.
 

Interpretation der Pulsmessung

3.1. Normalwerte der Herzfrequenz

Die Herzfrequenz variiert je nach Alter, Fitnesszustand und Gesundheitslage:

  • Neugeborene: 120 – 160 bpm
  • Kleinkinder: 90 – 140 bpm
  • Schulkinder: 80 – 120 bpm
  • Erwachsene: 60 – 100 bpm
  • Sportler / Trainierte Personen: 40 – 60 bpm
  • Senioren: 60 – 90 bpm

3.2. Beurteilung weiterer Pulsmerkmale

Neben der Frequenz sind folgende Kriterien relevant:

  • Rhythmus: Regelmäßig oder unregelmäßig? (Hinweis auf Arrhythmien)
  • Amplitude (Stärke): Kräftig, schwach oder fadenförmig? (Kreislaufzustand)
  • Spannung: Elastisch oder verhärtet? (Hinweis auf Bluthochdruck oder Arteriosklerose)

3.3. Abweichungen und deren mögliche Ursachen

  • Tachykardie (>100 bpm): Stress, Fieber, Anämie, Herzinsuffizienz, Schilddrüsenüberfunktion.
  • Bradykardie (<60 bpm): Sportliche Anpassung, Medikamenteneinfluss (z. B. Betablocker), AV-Block, Hypothyreose.
  • Arrhythmien: Vorhofflimmern, Extrasystolen oder andere Rhythmusstörungen.
  • Pulsdefizit: Wenn die Herzfrequenz (EKG) höher ist als der periphere Puls → Zeichen für eine unzureichende Pumpleistung des Herzens.
 

Besondere Aspekte und Fehlerquellen

4.1. Einflussfaktoren auf die Pulsfrequenz

  • Physiologische Faktoren: Sport, Stress, Ernährung, Körperhaltung.
  • Pathologische Faktoren: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schilddrüsenstörungen, Infektionen.
  • Medikamentöse Einflüsse: Betablocker, Stimulanzien, Beruhigungsmittel.

4.2. Häufige Fehler bei der Pulsmessung

  • Zu starker oder zu schwacher Druck auf die Arterie.
  • Messung mit dem Daumen (Eigener Puls kann das Ergebnis verfälschen).
  • Zu kurze Messzeit (15-Sekunden-Methode bei Arrhythmien ungenau).
  • Falsche Wahl der Messstelle (z. B. bei Durchblutungsstörungen).