Pflegekräfte Fachkräftemangel

Pflegekräfte gewinnen und halten – Rekrutierungsstrategien und Personalbindung in Zeiten des Fachkräftemangels

Pflegeeinrichtungen stehen vor enormen Personalherausforderungen: Der Fachkräftemangel im Pflegebereich hat ein historisches Ausmaß erreicht und gefährdet bereits die Versorgung und wirtschaftliche Stabilität vieler Einrichtungen. Auf 100 ausgeschriebene Stellen für Pflegefachkräfte kommen rechnerisch nur etwa 33 passende Arbeitslose – es klafft also eine erhebliche Lücke zwischen Bedarf und verfügbaren Fachkräften. Schon heute fehlen über 25.000 Pflegekräfte, Tendenz steigend; Prognosen gehen davon aus, dass bis 2030 rund 300.000 Fachkräfte in der Pflege fehlen könnten. Für das Management von Pflegebetrieben bedeutet dies, dass traditionelle Methoden der Personalgewinnung und -bindung nicht mehr ausreichen. Ein umfassender Rekrutierungs- und Bindungsplan ist erforderlich, um dringend benötigtes Pflegepersonal zu gewinnen und langfristig im Unternehmen zu halten.

Fachkräftemangel in der Pflege: Ursachen und Lage

Ursachen des Mangels

Der Pflegesektor sieht sich mit einem vielschichtigen Ursachenbündel für den Personalmangel konfrontiert. An vorderster Stelle steht der demografische Wandel: Die Bevölkerung altert, wodurch immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, während gleichzeitig zahlreiche Pflegekräfte der Babyboomer-Generation in Rente gehen. Dieser doppelte Effekt – steigende Nachfrage bei schrumpfendem Angebot – schafft ein strukturelles Defizit. Zugleich mangelt es am Nachwuchs: Pflegeberufe gelten vielen jungen Menschen als unattraktiv. Hohe körperliche und psychische Belastungen, regelmäßige Schicht- und Wochenenddienste sowie vergleichsweise niedrige Löhne schrecken viele vom Pflegeberuf ab. Die Folge: Es beginnen weniger Auszubildende eine Pflegekarriere, und selbst ausgebildete Pflegekräfte kehren dem Beruf oft nach wenigen Jahren den Rücken oder reduzieren ihre Stundenzahl drastisch. Zusätzlich belasten bürokratische Dokumentationspflichten und ein Mangel an Anerkennung den Berufsalltag, was die Frustration erhöht.

Politische und strukturelle Faktoren haben den Fachkräftemangel ebenfalls begünstigt. Über Jahre wurden Personalbemessungen knapp gehalten und Arbeitsbedingungen vernachlässigt. Eine DGB-Studie zeigte schon 2018, dass 75 % der Pflegefachpersonen nicht glauben, ihren Beruf bis zur Rente ausüben zu können, weil die Bedingungen so belastend sind. Zusammen mit jahrzehntelang niedrigen Ausbildungszahlen und einer Abwanderung von Fachkräften in andere Berufe entstand so ein Teufelskreis: Schwierige Arbeitsbedingungen führen zu hoher Fluktuation, was wiederum den Personalmangel weiter verschärft.

Auswirkungen auf Pflegeeinrichtungen

Die Folgen des Fachkräftemangels sind in den Pflegeeinrichtungen dramatisch spürbar. Zunächst steigt die Arbeitsbelastung für das vorhandene Personal kontinuierlich an: Weniger Pflegende müssen mehr Patienten versorgen, was zu chronischem Zeitdruck, Überstunden und erhöhter Burnout-Gefahr führt. Nicht selten müssen Pflegekräfte Kompromisse bei der Versorgungsqualität machen, weil einfach die Zeit fehlt – rund 46 % der Pflegebeschäftigten berichten, oft Abstriche bei der Arbeitsqualität machen zu müssen, um das Pensum zu schaffen. Dies belastet nicht nur die Patientenversorgung, sondern auch die Motivation der Mitarbeitenden.

Gleichzeitig wird es für Einrichtungen immer schwieriger, offene Stellen zeitnah nachzubesetzen. Eine vakante Position für examiniertes Pflegepersonal bleibt im Bundesdurchschnitt über 200 Tage unbesetzt – in der Altenpflege etwa 212 Tage, in der Krankenpflege sogar rund 240 Tage. Diese extrem langen Besetzungszeiten bedeuten, dass Personalengpässe monatelang fortbestehen. In der Praxis haben bereits viele Einrichtungen reagiert: Einige ambulante Pflegedienste nehmen mangels Personal keine neuen Patienten mehr auf, andere mussten bestehende Versorgungsverträge kündigen. Dieser Schritt ist oft ultima ratio, um Überlastung des Stammpersonals zu verhindern, doch er zeigt die Not: Die Versorgungslücken weiten sich aus.

Für manche Betreiber wird der Personalmangel zur existenzbedrohenden Krise. Können Plätze oder Betten nicht belegt werden, brechen Erlöse weg – mit der Konsequenz, dass ganze Häuser unrentabel werden. Bereits 2022 mussten 142 Pflegeheime in Deutschland schließen; allein im ersten Quartal 2023 kamen etwa 200 weitere Schließungen hinzu. Analysen zeigen, dass in fast allen Fällen Personalmangel die Hauptursache dieser Schließungen war. Viele übrige Heime schreiben Verluste; Schätzungen zufolge werden bis Ende 2023 rund 37 % der Heime im Minus sein. Die Branche gerät so in eine Abwärtsspirale: Fehlendes Personal führt zu Aufnahmestopps und Schließungen, was den Versorgungsdruck auf die verbleibenden Einrichtungen weiter erhöht.

Für das Management von Pflegebetrieben bedeuten diese Entwicklungen zweierlei: Erstens müssen kurzfristige Lösungen gefunden werden, um offene Stellen zu besetzen und die Arbeitsfähigkeit der Einrichtungen zu erhalten. Zweitens sind langfristige Strategien gefragt, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern, Mitarbeiter zu halten und neue Zielgruppen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Im Folgenden werden zentrale Handlungsfelder – Personalgewinnung und Personalbindung – systematisch betrachtet.

Strategien zur Personalgewinnung

Um dem Personalnotstand entgegenzuwirken, benötigen Pflegebetriebe proaktive und vielseitige Recruiting-Strategien. Klassisches Abwarten auf eingehende Bewerbungen reicht nicht mehr aus, da in vielen Regionen schlicht kaum qualifizierte Bewerber verfügbar sind. Stattdessen gilt es, gezielt neue Mitarbeitende anzuwerben, das eigene Haus als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und alle verfügbaren Kanäle zu nutzen. Wichtige Bausteine sind hierbei das Employer Branding, ein modernes Recruiting (auch international), die Kooperation mit Ausbildungsstätten sowie der Einsatz digitaler Recruiting-Kanäle.

Employer Branding: Attraktiver Arbeitgeber sein

Ein Schlüssel zur Personalgewinnung liegt darin, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dieser Aufbau einer Arbeitgebermarke – Employer Branding – zielt darauf ab, ein positives und authentisches Bild der Einrichtung als Arbeitsort zu vermitteln. Dabei geht es nicht um bloße PR-Versprechen, sondern um gelebte Werte und Bedingungen, die für bestehende wie zukünftige Mitarbeiter attraktiv sind. Pflegekräfte sind untereinander sehr gut vernetzt und tauschen sich über Arbeitgeber aus – wer gerne in einer Einrichtung arbeitet, trägt diese Erfahrung in sein Umfeld und wird damit unbewusst zum Markenbotschafter für den Arbeitgeber. Umgekehrt verbreiten sich aber auch negative Erfahrungen schnell und schädigen den Ruf einer Einrichtung. Ehrlichkeit und Transparenz sind daher essenziell: Verspricht ein Arbeitgeber etwa familienfreundliche Dienstpläne oder Fortbildungsmöglichkeiten, müssen diese in der Realität spürbar sein.

Konkret sollte das Management die einzigartigen Vorzüge der eigenen Einrichtung herausarbeiten: Zum Beispiel ein besonderes Pflegekonzept, ein guter Personalschlüssel, Entwicklungschancen, Teamgeist oder Zusatzleistungen. Diese USPs (Unique Selling Propositions) gilt es nach außen zu kommunizieren – auf der Karriereseite, in Broschüren, bei Messen und in Sozialen Medien. Einige Häuser lassen etwa ihre Mitarbeiter in kurzen Videos oder Statements selbst zu Wort kommen, um ein authentisches Bild der Arbeitsatmosphäre zu vermitteln (Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter). Wichtig ist zudem, Auszeichnungen oder Gütesiegel (z.B. als „Top-Arbeitgeber Pflege“) anzustreben und zu nutzen, um glaubwürdig Qualität und Attraktivität zu signalisieren. Employer Branding ist nicht nur Marketing: Letztlich muss es intern beginnen – durch eine Kultur der Wertschätzung, denn die beste Werbung sind zufriedene Mitarbeiter, die dies auch ausstrahlen.

Gezieltes Recruiting und internationale Rekrutierung

Neben dem Image zählt die aktive Personalbeschaffung zu den zentralen Managementaufgaben. Ein erster Schritt ist, den Personalbedarf vorausschauend zu planen und klar zu definieren, welche Qualifikationen benötigt werden. Darauf aufbauend sollten moderne Recruiting-Methoden genutzt werden, anstatt rein auf klassische Stellenausschreibungen zu vertrauen. Zwar sind Stellenanzeigen nach wie vor wichtig – doch viele Pflegeeinrichtungen verlassen sich immer noch ausschließlich auf diese traditionellen Wege, oft mangels Zeit oder Know-how im Personalmarketing. Dabei gibt es heute vielfältige Möglichkeiten, Bewerber anzusprechen. Aktive Suche (Active Sourcing) in beruflichen Netzwerken, Ansprache von Absolventen in Pflegeschulen, oder Kooperation mit Arbeitsagenturen können den Kandidatenkreis erweitern. Wichtig ist ein professionalisierter Recruiting-Prozess: Schnelle Kontaktaufnahme mit Interessenten, wertschätzende Kommunikation im Bewerbungsverfahren und zügige Entscheidungen erhöhen die Erfolgsquote, bevor gute Kandidaten abspringen. Auch situative Einstellungsverfahren können sinnvoll sein – etwa Probearbeitstage oder das Einbinden von Patienten in Bewerbungssituationen – um passende neue Kollegen auszuwählen.

Angesichts der knappen inländischen Ressourcen rückt zudem die internationale Rekrutierung in den Fokus. In den letzten Jahren ist der Anteil ausländischer Pflegekräfte in Deutschland stark gestiegen – von 8 % (2017) auf 14 % im Jahr 2022, was rund 244.000 Personen entspricht. Viele Einrichtungen haben bereits Personal aus dem europäischen Ausland, aber auch aus Drittstaaten eingestellt. Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt dies über Programme wie „Triple Win“, in deren Rahmen bislang über 4.000 Pflegefachkräfte sowie 275 Auszubildende aus Ländern wie Bosnien-Herzegowina, den Philippinen, Tunesien oder Indien für deutsche Arbeitgeber gewonnen werden konnten. Für Pflegebetriebe eröffnen internationale Fachkräfte eine wichtige Personalquelle – doch der Prozess erfordert Engagement: Sprachkenntnisse, Anerkennung der Berufsabschlüsse und Integration am Arbeitsplatz sind die größten Herausforderungen. Hier gilt es, neu angeworbenes Personal durch Sprachkurse, Mentoren-Programme und kulturelle Eingliederung zu unterstützen. Die Politik arbeitet daran, Hürden abzubauen – so sollen Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse vereinfacht werden (Pflegebersufereform 2023).

Praxisbeispiel internationale Kooperation: Die Hahne Holding, ein großer Pflegeheimbetreiber in Hannover, geht innovative Wege, um Nachwuchs zu sichern. In Kooperation mit einer indischen Sprachschule werden gezielt junge Menschen aus Indien rekrutiert, die nach Deutschkursen im Heimatland nach Deutschland kommen, um hier die Ausbildung zur Pflegefachkraft zu absolvieren. Bis zu 120 indische Pflegeschüler*innen sollen so kontinuierlich in Ausbildung sein. Eine ähnliche Partnerschaft besteht mit einem Bildungsprojekt in Kamerun, über das jährlich weitere Auszubildende gewonnen werden. Dieses Beispiel zeigt, wie durch internationale Kooperation mit Ausbildungseinrichtungen ein stetiger Strom an Nachwuchskräften aufgebaut werden kann.

Kooperation mit Ausbildungseinrichtungen

Die Zusammenarbeit mit Pflegeschulen, Hochschulen und Ausbildungsträgern ist ein weiterer wichtiger Baustein, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Pflegebetriebe sollten sich aktiv in die Ausbildung künftiger Pflegekräfte einbringen und als attraktiver Praxispartner positionieren. Seit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung in Deutschland (Pflegeberufegesetz) sind Kooperationsverbünde zwischen Pflegeschulen und praktischen Ausbildungsträgern ohnehin nötig, um die vorgeschriebenen vielfältigen Praxiseinsätze abzudecken. Diese Pflicht lässt sich als Chance nutzen: Einrichtungen, die Auszubildenden eine qualitativ hochwertige Anleitung und ein gutes Lernklima bieten, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Absolventen nach dem Examen bleiben oder zurückkehren.

Konkret empfiehlt es sich für das Management, enge Kontakte zu örtlichen Pflegeschulen und Berufsfachschulen zu pflegen. Das beinhaltet beispielsweise regelmäßige Teilnahme an Berufsmessen, Praktikumsangebote für Schüler, und Beteiligung an Projekten oder Unterrichtseinheiten, um frühzeitig präsent zu sein. Einige Kliniken und Pflegeheime vergeben Stipendien oder Ausbildungsvergütungs-Aufstockungen an besonders motivierte Schüler, knüpfen daran aber Bindungsvereinbarungen (etwa die Verpflichtung, anschließend für eine gewisse Zeit im Betrieb zu arbeiten). Auch die Unterstützung dualer Studiengänge in Pflege oder Pflegemanagement (z.B. durch Bereitstellung von Praxisplätzen) kann qualifizierten Nachwuchs anziehen. Wichtig ist zudem die Weiterempfehlung durch Auszubildende: Wenn Azubis sich wohlfühlen, berichten sie Mitschülern oder Freunden davon – auch so entsteht wieder ein positiver Ruf. Die Praxisanleitung im Haus sollte daher professionell organisiert sein, mit geschulten Praxisanleitern, ausreichend geschützten Anleitungszeiten und wertschätzender Begleitung, damit die Ausbildung als Bereicherung erlebt wird. Insgesamt gilt: Wer ausbildet und fördert, investiert in die eigenen zukünftigen Fachkräfte.

Digitale Recruiting-Kanäle nutzen

In der heutigen Zeit führen an digitalen Kanälen kaum noch Wege vorbei, wenn man als Arbeitgeber sichtbar sein will. Dennoch nutzt ein großer Teil der Pflegeeinrichtungen diese Möglichkeiten noch nicht konsequent aus. Online-Stellenbörsen (von allgemeinen Portalen bis zu spezialisierten Pflege-Jobbörsen) erreichen ein breites Publikum und sollten standardmäßig bespielt werden. Darüber hinaus gewinnen Social-Media-Plattformen an Bedeutung für das Recruiting: Karriere-Auftritte auf LinkedIn, XING (bzw. zunehmend auch Facebook, Instagram oder TikTok für Azubi-Zielgruppen) ermöglichen es, Einblicke in den Arbeitsalltag zu geben und aktiv mit Interessenten in Kontakt zu treten.

Ein praktischer Ansatz ist das Schalten gezielter Social-Media-Kampagnen, um z.B. auf offene Stellen aufmerksam zu machen – etwa kurze Videos mit Mitarbeiter-Statements oder Bilderstrecken unter dem Motto „Arbeiten bei [Einrichtungsname]“. Wichtig ist hier, die richtige Ansprache für die Zielgruppe zu finden: Jüngere Menschen erreicht man mit authentischen, emotionalen Stories besser als mit trockenen Textanzeigen. Employer-Review-Portale wie Kununu sollten ebenfalls im Blick behalten werden, da Bewerber sich dort über die Arbeitgeberqualität informieren – ein professioneller, konstruktiver Umgang mit Feedback auf solchen Plattformen kann das Bild positiv beeinflussen.

Darüber hinaus können digitale Tools den Bewerbungsprozess vereinfachen: Online-Bewerbungsformulare, mobile Bewerbung per Smartphone oder kurze Recruiting-Videos senken die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme. Datenbasiertes Recruiting (E-Recruiting) bietet die Möglichkeit, aus vergangenen Bewerbungsprozessen zu lernen – etwa welche Kanäle die meisten geeigneten Kandidaten gebracht haben – und die Strategie laufend anzupassen. Einige größere Träger setzen bereits auf Recruiting-Software, die Bewerbermanagement und Kommunikation erleichtert. Kleinere Einrichtungen können mit externen Dienstleistern oder Personalvermittlern kooperieren, die digital gut aufgestellt sind.

Wichtig ist letztlich eine Multi-Channel-Strategie: Lokale Zeitungsannoncen oder Aushänge (z.B. Flyer in Apotheken oder Supermärkten) können ergänzend weiterhin sinnvoll sein – gerade in ländlichen Regionen oder für ältere Bewerber. Kombiniert mit Online-Präsenz und aktiver Ansprache ergibt sich so ein breiter „Recruiting-Mix“, um möglichst viele potenzielle Pflegekräfte zu erreichen. Das Management sollte sein Team ggf. von administrativen Aufgaben entlasten oder externes Know-how hinzuziehen, um die neuen Recruiting-Wege professionell zu nutzen, denn gerade hier besteht in der Pflegebranche noch Nachholbedarf. Die Investition in moderne Personalgewinnung zahlt sich angesichts des harten Wettbewerbs um Pflegekräfte in jedem Fall aus.

Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung

Mindestens so wichtig wie neue Mitarbeiter zu finden, ist es, die vorhandenen Pflegekräfte ans Unternehmen zu binden. Eine hohe Fluktuation kann die Erfolge des Recruitings zunichtemachen und belastet die verbleibenden Teams. Daher muss das Management ein Umfeld schaffen, in dem Pflegekräfte langfristig bleiben möchten. Mitarbeiterbindung in der Pflege erfordert gezielte Strategien, die Fachkräften attraktive Perspektiven bieten und die Arbeitszufriedenheit hochhalten. Wichtige Handlungsfelder sind attraktive Arbeitsbedingungen, eine gesunde Work-Life-Balance, kontinuierliche Weiterbildung und Entwicklungsmöglichkeiten sowie wettbewerbsfähige Vergütungspakete mit Zusatzleistungen. Übergreifend spielen auch eine wertschätzende Unternehmenskultur und guter Führungsstil eine entscheidende Rolle. Im Folgenden werden diese Aspekte näher beleuchtet.

Attraktive Arbeitsbedingungen schaffen

Gute Pflege braucht gute Arbeitsbedingungen. Viele Probleme ließen sich entschärfen, wenn die täglichen Belastungen der Pflegekräfte reduziert und die Organisation ihrer Arbeit verbessert werden. Zentrale Stellschrauben sind hier der Personalschlüssel und die Arbeitsorganisation. Auch wenn die Politik mittelfristig Personalvorgaben verbessert (z.B. durch bundeseinheitliche Personalbemessung in der Langzeitpflege), können Einrichtungen bereits kurzfristig im eigenen Haus Optimierungen vornehmen. Leistungsverdichtung und Dauerstress dürfen nicht zum Normalzustand werden. Eine Maßnahme ist etwa, Hilfskräfte oder Assistenzpersonal gezielt einzusetzen, damit examinierte Pflegefachpersonen entlastet werden und sich auf Fachaufgaben konzentrieren können – das begrüßen über 80 % der Pflegenden, wie eine Studie zeigte. Ebenso wünschen fast 90 % der Beschäftigten eine am Pflegebedarf ausgerichtete Personalzusammensetzung, um die Attraktivität ihres Arbeitsplatzes zu erhöhen. In der Praxis sollte das Management daher kontinuierlich prüfen: Sind genug Hände auf der Station? Falls nicht, müssen Stellen nachbesetzt oder – wo kurzfristig keine Fachkräfte verfügbar sind – durch temporäre Lösungen (Leihpersonal, Rufbereitschaften, Dienstplananpassungen) Überlastspitzen aufgefangen werden, um die Kernbelegschaft zu schützen.

Neben der personellen Ausstattung tragen auch Arbeitsmittel und Prozesse zu guten Arbeitsbedingungen bei. Digitale Dokumentation und Unterstützungssysteme können zeitraubende Bürokratie verringern. Wenn z.B. elektronische Pflegedokumentation und Dienstplan-Apps genutzt werden, bleibt den Pflegekräften mehr Zeit für die eigentliche Arbeit am Menschen. Viele Pflegende begrüßen technische Hilfen ausdrücklich – etwa 75 % wünschen sich die Einführung elektronischer Patientenakten und stabile Internetzugänge am Arbeitsplatz. Hier sollten Arbeitgeber investieren, denn ein gut ausgestatteter, moderner Arbeitsplatz signalisiert Wertschätzung und erleichtert den Arbeitsalltag.

Schlussendlich gehören zu attraktiven Bedingungen auch scheinbar kleine Dinge: funktionierende Geräte, ausreichendes Pflege- und Hilfsmaterial, Möglichkeiten zur Erholung (z.B. Pausenräume) und ein sicheres Arbeitsumfeld. Die Mitarbeiter sollten spüren, dass ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden Priorität haben – z.B. durch betriebliche Gesundheitsförderung (Rückenschule, Impfangebote, Psychosoziale Betreuung bei Bedarf etc.). All diese Faktoren summieren sich zu einem Arbeitsumfeld, in dem Pflegekräfte gern und ohne übermäßige Belastung arbeiten können. Wenn die Basisbedingungen stimmen, ist das die beste Voraussetzung, um Personal langfristig zu halten.

Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeiten

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist heute ein zentrales Kriterium für die Arbeitszufriedenheit – gerade in einem fordernden Beruf wie der Pflege. Dienst zu ungünstigen Zeiten lässt sich in der Pflege nicht gänzlich vermeiden, aber das Ziel muss sein, die Belastungen gerecht zu verteilen und planbar zu machen. Pflegekräfte wünschen sich vor allem verlässliche Dienstpläne und flexible Modelle, die auf ihre individuelle Lebenssituation Rücksicht nehmen. Interessanterweise ist „mehr Freizeit“ an sich gar nicht der entscheidende Faktor; wichtiger sind persönlich zugeschnittene Arbeitszeitmodelle, planbare Schichten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung, so das Ergebnis einer großen Befragungsstudie. Konkret nannten fast 80 % der Pflegenden eine Betriebskita als wünschenswertes Angebot, ebenso eine Ferienbetreuung für Kinder (76 %) oder organisierte Bring- und Holdienste für Schule/Kita.

Pflegebetriebe können hier ansetzen, indem sie flexible Schichtsysteme einführen. Beispiele sind Wunschdienstpläne, bei denen Mitarbeiter Einfluss auf ihre freien Tage und Schichten nehmen können, oder innovative Modelle wie eine 4-Tage-Woche (bei entsprechender Verlängerung der einzelnen Schichten), die einigen Beschäftigten entgegenkommen könnte. Auch Teilzeitmodelle in diversen Abstufungen sind wichtig – von Elternzeit-Teilzeit bis hin zur kurzfristigen Teilzeit in Lebensphasen mit hoher Belastung (z.B. Pflege von Angehörigen). Entscheidendes Kriterium ist, dass die Personalplanung vorausschauend und fair erfolgt: Ausfälle lassen sich nie ganz vermeiden, doch ständige kurzfristige Einspring-Anfragen aus dem Frei sollten die Ausnahme sein, nicht die Regel. Springerpools oder ein fest eingeplanter Bereitschaftsdienst können sicherstellen, dass im Notfall Vertretungen verfügbar sind, ohne jedes Mal die Freizeit der Stammbelegschaft zu opfern. Eine Kultur, die die Freizeit der Mitarbeiter respektiert, erhöht die Zufriedenheit enorm.

Darüber hinaus sollten Arbeitgeber aktiv Entlastungsangebote zur Work-Life-Balance prüfen: Ist eine betriebliche Kinderbetreuung machbar (ggf. gemeinsam mit anderen Einrichtungen oder kommunalen Trägern)? Können Dienstzeiten mit Familienpflichten abgestimmt werden (z.B. bevorzugt Frühdienste für Eltern schulpflichtiger Kinder, im Tausch mit Kollegen ohne diese Einschränkung)? Solche Maßnahmen zeigen den Mitarbeitern, dass ihre familiären Bedürfnisse ernstgenommen werden – was die Loyalität deutlich stärkt. Einige Bundesländer und das BMG fördern entsprechende Initiativen sogar finanziell, z.B. über Programme zur besseren Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie. Pflegekräfte, die Beruf und Privatleben gut in Einklang bringen können, sind erfahrungsgemäß motivierter und bleiben ihrem Arbeitgeber länger treu.

Weiterbildung und Entwicklungsperspektiven

Eine oft unterschätzte Komponente der Mitarbeiterbindung sind Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Pflegeeinrichtung. Viele Pflegekräfte – insbesondere Jüngere und Quereinsteiger – legen Wert auf fachliche und persönliche Weiterentwicklung. Wenn der Arbeitgeber hier attraktive Angebote macht, steigt die langfristige Bindung. Weiterbildungsmöglichkeiten signalisieren, dass man in die Mitarbeiter investiert und ihnen Perspektiven bietet.

In der Praxis sollte jede Pflegeeinrichtung ein strukturiertes Fort- und Weiterbildungsprogramm haben. Das kann interne Schulungen (z.B. Expertenstandards, neue Pflegetechniken, Soft Skills) ebenso umfassen wie die Unterstützung externer Fortbildungen. Beliebt sind z.B. Qualifikationen zur Fachpflege (Intensivpflege, Gerontopsychiatrie, Wundmanagement etc.) oder Aufstiegsweiterbildungen zur Stationsleitung, Praxisanleitung oder zum Pflegepädagogen. Mitarbeiter sollten wissen: Wenn ich mich weiterqualifizieren will, wird mein Arbeitgeber mich dabei unterstützen – etwa durch Freistellungen, Kostenbeteiligungen oder Bildungsurlaub. Ein großes Fortbildungsangebot zählt zu den zentralen Mitarbeitervorteilen, mit denen ein Arbeitgeber punkten kann. Wichtig ist auch, gemeinsam mit den Mitarbeitern Karrierepläne zu entwickeln: In jährlichen Mitarbeitergesprächen kann nach Entwicklungswünschen gefragt und ein Pfad aufgezeigt werden (z.B. „in zwei Jahren übernehmen Sie die Pflegedienstleitung der Wohngruppe X“ oder „Sie können an einer Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft teilnehmen“). Studien haben gezeigt, dass solche persönlichen Perspektiven die Zufriedenheit deutlich steigern.

Seit 2020 wird zudem die Akademisierung des Pflegeberufs vorangetrieben – durch Pflegestudiengänge, die erweiterte Karrierewege eröffnen. Pflegebetriebe sollten diese Entwicklung begrüßen und ggf. Stipendien oder Kooperationsverträge mit Studierenden eingehen, um sich hochqualifizierte Nachwuchskräfte zu sichern. Auch Teilzeitstudium neben dem Beruf kann ermöglicht werden. Das Ziel muss sein, Pflegenden zu vermitteln: In diesem Unternehmen kann ich mich beruflich entfalten. Wer diese Erfahrung macht, hat weniger Anlass, den Arbeitgeber zu wechseln oder den Pflegeberuf zu verlassen. Außerdem profitieren die Einrichtungen unmittelbar von den neuen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter.

Ein weiterer Aspekt ist die Reaktivierung von ausgestiegenen Fachkräften: Manche ehemalige Pflegekräfte wären bereit, zurückzukehren, wenn die Bedingungen stimmen. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass viele Fachkräfte sich vorstellen können, wieder in die Pflege einzusteigen („Ich pflege wieder, wenn…“) bzw. ihre Stunden aufzustocken, sobald die positiven Aspekte des Berufs gestärkt werden und die Hetze nachlässt. Dieses Potenzial an Rückkehrern kann durch gezielte Ansprache – etwa über Alumni-Netzwerke, Social Media oder lokale Medien – erschlossen werden. Betriebe könnten z.B. Auffrischungskurse anbieten oder Ehemalige zu Gesprächen einladen, um ihnen neue Arbeitszeitmodelle oder verbesserte Bedingungen vorzustellen. Jeder zurückgewonnene Profi entlastet das Team und ist ein Erfolg der Bindungsstrategie.

Gehaltsanreize und Zusatzleistungen

Bei aller Bedeutung von Arbeitsklima und Sinnhaftigkeit der Tätigkeit darf ein klassischer Faktor nicht vergessen werden: die finanzielle und materielle Wertschätzung. Pflegekräfte erwarten zu Recht eine angemessene Bezahlung für ihre anspruchsvolle Arbeit – dies ist laut Umfragen für nahezu alle Pflegenden ein zentraler Punkt für einen attraktiven Arbeitsplatz. Durch Tarifverträge und den Pflegemindestlohn hat sich in den letzten Jahren bereits etwas verbessert, doch viele Beschäftigte – gerade in Altenpflegeeinrichtungen – liegen noch im unteren Einkommenssegment. Pflegebetriebe sollten daher prüfen, ob übertarifliche Zulagen oder leistungsbezogene Boni gewährt werden können, um ein Zeichen der Anerkennung zu setzen. Insbesondere Schichtzulagen, Wochenend- und Feiertagsboni sowie Prämien für kurzfristiges Einspringen (in Grenzen) honorieren die Mehrbelastung und schaffen Anreize. Einige Häuser zahlen auch Willkommensprämien für neue Fachkräfte oder Bleib-Prämien, wenn Mitarbeiter nach z.B. 5 Jahren Betriebszugehörigkeit einen Bonus erhalten.

Ein eindrucksvolles Praxisbeispiel liefert erneut die Hahne Holding: Dort wurden im September 2023 die Grundgehälter aller Mitarbeiter erhöht und zusätzlich eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt – in Summe bedeutete dies ein Plus von bis zu ca. 12 %. Besonders die Berufsgruppen mit bisher niedrigem Einkommen (Pflegehilfskräfte, Betreuung, Hauswirtschaft) profitierten von dieser Gehaltsoffensive. Diese Investition soll die Wertschätzung steigern und helfen, Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen. Doch Geld allein ist nicht alles: „Ein attraktiver Arbeitgeber muss mehr bieten als ein gutes Gehalt“, betont der Unternehmenssprecher und verweist auf ein umfassendes Angebot an Mitarbeitervorteilen. Tatsächlich hat das Unternehmen eine Palette von kreativen Benefits eingeführt: vom Jobrad-Leasing (Dienstfahrrad) über Mitarbeiterrabatte bei Einkauf und Gesundheitsleistungen bis hin zu einem großen Fortbildungsprogramm. Sogar an familienfreundliche Arbeitszeiten wie eine 5-Tage-Woche in der Pflege wird gearbeitet. Dieses Beispiel zeigt, wie durch Kombination von finanziellen Anreizen und Zusatzleistungen die Attraktivität als Arbeitgeber deutlich erhöht werden kann.

Pflegeeinrichtungen sollten also prüfen, welche Zusatzleistungen sie anbieten können. Möglichkeiten sind u.a.: betriebliche Altersvorsorge, Dienstwagen oder -fahrräder, Wohnmöglichkeiten oder Mietzuschüsse (gerade für Personal aus dem Ausland attraktiv), Verpflegungszuschüsse (günstiges Kantinenessen), Gesundheitsangebote (Sportkurs-Zuschuss, Massagen), mehr Urlaubstage als branchenüblich, oder Sonderleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, wenn nicht ohnehin tariflich geregelt. Auch kleine Aufmerksamkeiten tragen zur Bindung bei – sei es eine jährliche Mitarbeiterfeier, persönliche Geburtstagsgrüße oder Prämien für Betriebsjubiläen. Wichtig ist, die Bedürfnisse der Belegschaft zu kennen: Jüngere freuen sich vielleicht über ein ÖPNV-Ticket oder Weiterbildungszuschuss, während Eltern eine Kinderbetreuungshilfe höher schätzen. Ein buntes, flexibles Benefits-Paket („Cafeteria-System“) kann unterschiedlichen Mitarbeitern erlauben, das für sie Passende zu wählen.

Letztlich signalisieren Gehaltsanhebungen und Benefits vor allem eins: Wertschätzung. Sie zeigen den Pflegekräften, dass ihre Arbeit gesehen und honoriert wird. Zusammen mit guten Arbeitsbedingungen und Entwicklungschancen entsteht so ein Gesamtpaket, das die Mitarbeiterbindung stärkt. Betriebe, die hier investieren, sparen langfristig Kosten, da eine hohe Bindung die teure Dauer-Neurekrutierung und Einarbeitung immer neuer Kräfte reduziert.

Unternehmenskultur und Führungsstil als Erfolgsfaktor

Materielle und organisatorische Maßnahmen allein genügen nicht – die weichen Faktoren entscheiden oft darüber, ob Mitarbeitende sich einem Arbeitgeber verbunden fühlen. Eine wertschätzende Unternehmenskultur und ein unterstützender Führungsstil sind von zentraler Bedeutung für die langfristige Personalbindung. Tatsächlich haben Faktoren wie Teamklima, Anerkennung und Führung nach Studienlage häufig sogar einen stärkeren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit als Bezahlung und Sachleistungen. Pflegekräfte möchten in einem Umfeld arbeiten, das von Respekt, Offenheit und Zusammenhalt geprägt ist. Hier sind insbesondere die Führungskräfte – von der Wohnbereichsleitung bis zur Geschäftsführung – gefordert, diese Kultur vorzuleben.

Ein guter Führungsstil in der Pflege zeichnet sich durch Transparenz, Einbeziehung der Mitarbeiter und Empathie aus. Praktisch bedeutet das: Vorgesetzte sollten regelmäßig das Gespräch mit ihren Teams suchen, zuhören und die Anliegen der Mitarbeiter ernst nehmen. Probleme im Alltag (etwa im Dienstplan oder in Abläufen) sollten offen angesprochen und gemeinsam gelöst werden. Mitsprachemöglichkeiten – z.B. bei der Dienstplangestaltung oder bei Veränderungen im Ablauf – steigern das Gefühl der Wertschätzung erheblich. Die Studie des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) 2023 zur Arbeitssituation in der Pflege ergab, dass bei Führungsstil und Wertschätzung durch Vorgesetzte ein deutlicher Nachholbedarf besteht. Dabei gilt: Ein respektvoller, unterstützender Umgang motiviert sowohl bestehende Mitarbeiter als auch potenzielle Bewerber, denn der Ruf einer Einrichtung hängt stark vom Führungsverhalten ab.

Konkrete Elemente einer guten Kultur sind zum Beispiel regelmäßige Feedbackgespräche (nicht nur Kritik, sondern auch Lob aussprechen!), Teammeetings, in denen alle informiert werden und Ideen einbringen können, sowie eine Fehlerkultur, die offen und lernorientiert ist statt schuldzuweisend. Führungskräfte sollten erreichbar und ansprechbar sein. Auch fachliche Unterstützung gehört dazu: Wenn es schwierige Pflegefälle oder emotionale Belastungen gibt, sollten Leitungspersonen Rückhalt bieten, sei es durch organisatorische Hilfen oder einfach durch ein offenes Ohr. Anerkennung lässt sich auch durch kleine Gesten ausdrücken – ein Dankeschön für spontan übernommenen Dienst, ein gemeinsames Essen nach anstrengenden Wochen oder die öffentliche Würdigung besonderer Leistungen (z.B. im Mitarbeiternewsletter).

Ein oft unterschätzter Punkt ist die Stabilität im Führungsteam. Häufige Wechsel in der Leitungsebene wirken sich negativ auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus, da jedes Mal gewachsene Strukturen und Vertrauen verloren gehen. Kontinuität und kompetente Führungskräfte, die die Praxis kennen, sind ein Plus. Deshalb sollten Pflegebetriebe Führungsnachwuchs möglichst aus den eigenen Reihen aufbauen und diesen gezielt weiterqualifizieren (z.B. Stationsleiter-Kurse, Führungsseminare). Gut geschulte Leitungskräfte können durch mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten die Bindung ans Unternehmen signifikant erhöhen, wie diverse Studien bestätigen.

Letztlich gilt: Eine gute Unternehmenskultur kostet wenig, bewirkt aber viel. Sie ist der Nährboden, auf dem alle anderen Maßnahmen (Arbeitszeitmodelle, Fortbildungen, Gehalt etc.) erst ihre volle Wirkung entfalten. Pflegekräfte, die sich wertgeschätzt, informiert und beteiligt fühlen, sind deutlich eher bereit, ihrem Arbeitgeber treu zu bleiben – auch in schwierigen Zeiten. Für das Management heißt das, neben den sachlichen To-dos immer auch das „Klima“ im Auge zu behalten: Wie fühlen sich unsere Mitarbeiter? Diese Frage sollte genauso wichtig sein wie Kennzahlen und Dienstpläne, denn zufriedene Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital jeder Pflegeeinrichtung.

Praxisbeispiele und Handlungsempfehlungen für das Management

Die vorgestellten Strategien sind keineswegs rein theoretisch – viele Pflegebetriebe haben bereits erfolgreiche Ansätze entwickelt, um Personal zu gewinnen und zu binden. So zeigen die Beispiele der Hahne Holding, dass sowohl internationale Rekrutierung in Kooperation mit Bildungspartnern (Indien- und Kamerun-Projekte) als auch Gehaltssteigerungen und kreative Benefits wirksame Mittel sein können. Auch auf übergeordneter Ebene werden innovative Wege gegangen: Das Programm Triple Win der BA holt gezielt Fachkräfte aus dem Ausland, während gleichzeitig gesetzliche Initiativen wie bessere Personalbemessung und vereinfachte Anerkennungsverfahren auf den Weg gebracht wurden. Diese Praxisbeispiele verdeutlichen, dass es vielfältige Hebel gibt, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Kein einzelnes Instrument wird das Problem lösen – gefragt ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Recruiting und Mitarbeiterbindung verzahnt.

Abschließend werden die wichtigsten Handlungsempfehlungen für das Management von Pflegebetrieben zusammengefasst:

  • Frühzeitige Personalbedarfsplanung und proaktives Recruiting: Warten Sie nicht, bis Stellen unbesetzt bleiben, sondern planen Sie vorausschauend und nutzen Sie aktive Suchstrategien. Definieren Sie genau, welches Profil Sie brauchen, und werben Sie gezielt – lokal wie überregional, intern wie extern.
  • Starkes Employer Branding aufbauen: Arbeiten Sie am Image Ihrer Einrichtung als guter Arbeitgeber. Kommunizieren Sie Ihre Stärken (Arbeitsklima, Entwicklungschancen, besondere Leistungen) nach außen und innen. Nutzen Sie authentische Mitarbeiterstimmen und sorgen Sie intern dafür, dass die Versprechen gehalten werden.
  • Kooperationen für Nachwuchs nutzen: Vernetzen Sie sich mit Pflegeschulen, Hochschulen und Arbeitsagenturen. Bieten Sie Praktika, duale Studienplätze oder finanzielle Anreize für Azubis an. Eine gute Ausbildung im eigenen Haus ist der beste Weg, sich zukünftige Fachkräfte zu sichern.
  • Internationale Fachkräfte gewinnen und integrieren: Prüfen Sie die Möglichkeiten von Auslandsrekrutierung – sei es über Programme wie Triple Win oder eigene Partnerschaften. Stellen Sie zugleich sicher, dass Sie Spracherwerb und Integration neuer ausländischer Kollegen aktiv unterstützen (z.B. durch Sprachkurse, Mentoring).
  • Digitale Kanäle erschließen: Nutzen Sie Online-Jobbörsen, Social Media und Karrierenetzwerke, um Stellen auszuschreiben und Ihr Unternehmen zu präsentieren. Scheuen Sie sich nicht vor neuen Plattformen – viele Bewerber informieren sich heute online. Investieren Sie ggf. in Schulung oder externes Know-how, um Personalmarketing professionell zu betreiben.
  • Arbeitsbedingungen verbessern: Sorgen Sie für eine ausreichende Personalausstattung und erleichtern Sie den Pflegealltag durch effiziente Prozesse und Digitalisierung. Reduzieren Sie Überlastungssituationen, indem Sie z.B. Hilfspersonal einsetzen oder Arbeitsabläufe neu organisieren. Jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen erhöht die Zufriedenheit und verringert Fluktuation.
  • Work-Life-Balance ermöglichen: Bieten Sie flexible Arbeitszeiten und achten Sie auf planbare, mitarbeiterfreundliche Dienstpläne. Beziehen Sie die Wünsche Ihres Teams ein und unterstützen Sie Mitarbeiter bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – z.B. durch verlässliche freie Wochenenden, Teilzeitoptionen oder Hilfe bei der Kinderbetreuung (Betriebskita, Ferienangebote).
  • Weiterbildung und Karriere fördern: Etablieren Sie eine Kultur des Lernens. Stellen Sie Fortbildungsbudget bereit, bieten Sie interne Schulungen an und zeigen Sie Mitarbeitern klare Karrierepfade auf. Qualifizierte, motivierte Pflegekräfte bleiben eher, wenn sie sich fachlich entwickeln können und Perspektiven im Unternehmen sehen.
  • Wettbewerbsfähige Vergütung und Benefits: Überprüfen Sie die Gehälter und bezahlen Sie nach Möglichkeit über Tarif, besonders bei hoher Leistung und Verantwortung. Implementieren Sie Benefit-Programme, die für Ihre Mitarbeiter Mehrwert bieten – vom Jobrad über Einkaufsrabatte bis zur betrieblichen Altersvorsorge. Solche Extras erhöhen die Bindung und sind heute ein wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um Fachkräfte.
  • Wertschätzende Führung und Kultur pflegen: Schulen Sie Ihre Führungskräfte in mitarbeiterorientierter Führung. Fördern Sie ein offenes, respektvolles Miteinander, in dem jede*r sich gehört fühlt. Anerkennung aussprechen, Beteiligung ermöglichen und vorbildlich kommunizieren – diese „weichen Faktoren“ steigern nachweislich die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeiter. Sorgen Sie außerdem für Stabilität im Führungsteam und eine klare, transparente Informationspolitik.

Quellen:

  • Bundesagentur für Arbeit (2023): „Triple Win – Internationale Pflegekräfte für Deutschland“. www.arbeitsagentur.de
  • Deutsches Pflegeblatt (2023): „Fachkräftemangel in der Pflege – Ursachen und Lösungsansätze“. Ausgabe 06/2023, S. 49-57.
  • Bundesministerium für Gesundheit (2023): „Strategien gegen den Pflegefachkräftemangel“. Zugriff am [Datum] unter: www.bundesgesundheitsministerium.de
  • DGB-Studie zur Pflegearbeit (2022): „75 % der Pflegekräfte glauben nicht, bis zur Rente durchhalten zu können“.www.dgb.de
  • Hans-Böckler-Stiftung (2023): „Ich pflege wieder, wenn… – Rückkehrpotenziale ausgeschiedener Pflegekräfte“. Studie Nr. 327-335.
  • Studie der Hans-Böckler-Stiftung (2023): „Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche – Auswirkungen auf die Personalbindung“.www.boeckler.de
  • Statistisches Bundesamt (2023): „Pflegekräfte in Deutschland: Zahlen und Fakten“. Zugriff am [Datum] unter: www.destatis.de
  • AOK-Pflegereport (2022): „Pflegepersonalnotstand und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege“. S. 211-219.
  • Studie der Bertelsmann Stiftung (2023): „Innovative Wege aus dem Fachkräftemangel in der Pflege“. S. 276-284.
  • Pflegeberufegesetz (2020): „Generalistische Pflegeausbildung und deren Auswirkungen auf den Fachkräftemarkt“. www.gesetze-im-internet.de